Kreditderivate zählen zu den jüngsten Derivaten und wurden entwickelt, um Kreditrisiken effektiver absichern und handeln zu können. Kreditderivate sind ähnlich wie Zinsderivate meist außerbörslich gehandelte und sehr flexible Instrumente, die sehr individuell zugeschnitten sein können.
Im Grund funktionieren Kreditderivate wie Versicherungen, bloß, dass die Geschäftspartner keine Versicherungsinstitute sind und sich auch nicht an die Regulierungen und Vorgaben der Versicherungswirtschaft halten müssen. Allerdings haben Kreditderivate auch einige Besonderheiten gegenüber Versicherungsverträgen. Denn im Unterschied etwa zu Ausfallversicherungen oder Kreditversicherungen hängen Gewinn und Verlust aus dem Vertrag nicht von einem tatsächlich realisierten Verlust ab. Zudem können Kreditderivate gekauft und verkauft werden, ohne dass man den Basiswert, der abgesichert wird, überhaupt besitzt. Die Auszahlung im Falle eines Kreditereignisses ist standardisiert und vordefiniert. Es handelt sich um rechtlich sehr standardisierte Produkte die frei im Markt gehandelt werden können. So kann das Kreditrisiko stets nach Bedarf felxibel gekauft und verkauft werden. Geschäfte können mit unterschiedlichen Handelspartnern ausgeglichen werden. Die Marktteilnehmer müssen keine regulierten Institute sein, und im Grunde kann jeder über Kreditderivate eine Kreditversicherung kaufen und verkaufen.
Zur Gruppe der Kreditderivate zählen folgende Produkte:
Total Return Swaps
Der Zahler zahlt die absolute Wertentwicklung eines Portfolios oder einer bestimmten Anleihe und erhält dagegen einen variablen Zins wie etwa den Euribor. Total Return Swaps zählen zu den marktpreisbezogenen Kreditderivaten. Eine Verschlechterung der Bonität des Schuldners einer Anleihe wirkt sich negativ auf den Marktpreis der Anleihe aus. Dagegen sichert sich der Käufer ab, indem er die negative Wertentwicklung von seinem Geschäftspartner ersetzt bekommt. Im Gegenzug muss er aber auch die positive Wertentwicklung abgeben sowie den variablen Zins bezahlen.
Credit Default Swaps (CDS)
Der Sicherungsnehmer (Käufer des CDS) zahlt regelmäßig einen variablen Zinssatz wie etwa den Euribor an den Sicherungsgeber (Verkäufer des CDS). Der Sicherungsgeber gleicht im Fall eines Kreditereignisses (z.B. Konkurs des Schuldners oder der Anleihenemittentin) den Verlust des Käufers aus. Tritt kein Ereignis ein, hat der Käufer einfach nur über die Laufzeit den variablen Zins gezahlt, ähnlich einer Versicherungsprämie.
Credit Default Optionen
Das sind Optionen auf Credit Default Swaps. Der Käufer bezahlt wie immer ein Prämie an den Verkäufer und kann die Option zu einem festgelegten, zukünftigen Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis ausüben. Im Falle der Ausübung tritt der Käufer der Option mit dem Verkäufer in einen Credit Default Swap mit einer bestimmten Laufzeit ein. Als Absicherung gegen einen Konkurs des Referenzschuldners eignen sich Credit Default Optionen nicht, sondern werden in der Regel als Absicherung gegen Spreadveränderungen eingesetzt, dann meist als Optionen auf Kreditindices wie etwa den iTraxx oder den CDX.
Credit Spread Options
Dabei handelt es sich um eine Option auf die Veränderung des Spreads, also des Unterschieds, zwischen zwei Basiswerten. Meist ist einer der beiden Basiswerte ein sehr risikoarmes Instrument, zum Beispiel deutsche Bundesanleihen, und der andere Basiswert bezieht sich auf einen riskanteren Wert, zum Beispiel eine Anleihe von Volkswagen. Der Käufer der Spread Option zahlt eine Prämie an den Verkäufer. Die Option enthält eine bestimmte Laufzeit, einen Strikepreis, einen Nominalbetrag sowie die Referenzwerte. Liegt die Option mit ihrem jeweiligen Strikepreis am Laufzeitende im Geld, so wird der Käufer sie ausüben und vom Verkäufer den Differenzbetrag zum aktuellen Spread erhalten.
Credit Spread Forwards
Dieses unbedingte Termingeschäft ist ein Vertrag über den zukünftigen Austausch der Veränderung der Kreditwürdigkeit eines Basiswertes, der in Form eines Spreads zu einem anderen Basiswert ausgedrückt wird. Der Spread zwischen dem risikoarmen und dem risikoreicheren Basiswert wird am Anfang und am Ende beobachtet, und der Unterschiedsbetrag wird auf das vereinbarte Nominal ausgeglichen.
Verbriefte Kreditderivate
Verbriefte Kreditderivate wie Credit Linked Notes (CLNs) und Collateralized Debt Obligations (CDOs) zählen ebenfalls zur Familie der Kreditderivate. Der Unterschied zwischen CLNs und CDOs liegt hauptsächlich darin, dass CLNs meist verbriefte Credit Default Swaps auf übliche Referenzschuldner sind, wohingegen CDOs individuelle Kreditportfolien verbriefen. Die Bandbreite und Palette der verbrieften Kreditderivate ist sehr groß und reicht von First-to-Default-Baskets über Bonitätsanleihen bis hin zu komplexen Zertifikaten. Da es sich dabei aber hauptsächlich um Anlageprodukte handelt, wird darauf in anderen Kapiteln näher eingegangen.
Einsatz im Risikomanagement
Die unterschiedlichen Arten von Kreditderivaten werden im Risikomanagement sehr individuell eingesetzt. Um das Konkursrisiko eines Geschäftspartners oder einer Anleihenemittentin abzusichern, wird der Risikomanager einen Credit Default Swap (CDS) wählen. Um sich gegen eine Bonitätsverschlechterung und damit einen Preisverfall in einer Anleihe abzusichern, eignen sich Spread Produkte und Swaptions sehr gut, aber auch Credit Forwards können interessant sein, da diese nicht mit Anfangskosten verbunden sind. Aber auch gegen das Risiko einer Ratingverschlechterung kann man sich absichern, indem man Credit Default Swaps und Credit Default Options mit Downgrade Komponenten wählt.
Als Verkäufer von Kreditderivaten kann man laufend Prämien und laufende Einkünfte in Form des Floating Legs generieren. Gerade Versicherungsunternehmen und große Banken mit großen Beständen an Wertpapieren und Anleihen verkaufen deshalb auch gerne Kreditderivate.
Die Vielfalt der angebotenen Varianten und Unterarten im Bereich der Kreditderivate ist riesig. Man findet Produkte auf einzelne Wertpapiere, Emittenten, Baskets, Staaten, Unternehmen, Anleihen und Aktien, mit und ohne Hebel, und auf eine riesige Auswahl an möglichen Risiken und Parametern. Hinzu kommt eine Vielzahl an verbrieften Produkten in Form von Anleihen, Schuldscheindarlehen, Hybridbonds und fondsähnlichen Konstruktionen, die Kreditrisiken verbriefen und Anleihekäufer zu Sicherungsgebern machen.
Standardisierte Kreditereignisse
Um inmitten dieser Vielfalt eine gewisse Sicherheit und Standardisierung zu erreichen, hat die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) mehrere Kreditereignisse definiert, die, sofern vereinbart, Zahlungen auslösen können:
- Insolvenz
- Kreditereignis im Falle eines Mergers
- Drittfälligkeitsklausel (Englisch: Cross acceleration): Der Emittent einer Anleihe ist insolvent
- reziproker Verzug (Englisch: Cross default): Der Emittent einer Anleihe erfüllt nicht alle Bedingungen
- Rating Downgrade
- Zahlungsausfall
- Erfüllungsverweigerung/Zahlungsmoratorium
- Restrukturierung