Derivate gibt es schon seit Jahrhunderten

Das Konzept von Derivaten ist nicht neu. Im Grunde begleiten Derivate die Menschheit schon seit vielen tausend Jahren. Denn sie sind nichts anderes als Rechte und Pflichten, die sich von tatsächlichen Grundgeschäften wie etwa der Weizenernte und ihrem Verkauf ableiten. So werden gerade in der Landwirtschaft schon immer Verträge geschlossen, die bereits lange vor der Ernte deren Verkauf zu einem bestimmten Preis zwischen Verkäufer und Käufer regeln.

Forward Geschäfte für die Landwirtschaft

Dieses Geschäft nennt man ein Forward-Geschäft. Forward bezeichnet im Englischen etwas, das voran oder voraus liegt. Im Deutschen werden Forward-Geschäfte auch als Termin-Geschäfte bezeichnet. Der Vertrag wird heute geschlossen, das Geschäft selbst, also die Lieferung der Ware und deren Bezahlung, erst zu einem späteren Termin durchgeführt. Die genauen Eckdaten des Geschäfts stehen dabei schon bei Vertragsabschluss fest. Dabei wird im Falle der Weizenernte genau festgelegt, welche Qualität an Getreide in welcher Menge an welchem Tag zu welchem Preis den Besitzer wechselt. Der Vertrag selbst ist hier für Käufer und Verkäufer bindend und muss am vereinbarten Tag auch erfüllt werden. Es geht sowohl Verkäufer und Käufer um das Management ihres jeweiligen Risikos.

Vorteile

Für den Weizenproduzenten liegt der Vorteil darin, dass er bereits eine bestimmte Menge seiner Ernte zu einem ihm nun bekannten Preis verkaufen kann. Das hilft ihm bei der Kalkulation seiner Geschäfte und erleichtert zudem eine Finanzierung etwa von Saatgut. Eine Bank wird ihm allein aufgrund des Forwards eher einen Kredit gewähren. Selbst wenn der tatsächliche Preis für das Getreide zur Erntezeit weit unter dem vereinbarten Preis des Forward Geschäfts liegen sollte, erhält der Weizenproduzent dennoch den vereinbarten Preis. Das könnte etwa der Fall sein, wenn die Ernte in einem Jahr bei allen Produzenten besonders üppig ausfällt oder ein anderer Faktor, etwa Importe aus anderen Regionen oder eine gedämpfte Nachfrage im üblichen Abnahmegebiet zu einem plötzlichen Überangebot führt, das auf den Preis zum Erntezeitpunkt drückt.

Nachteile

Doch der Weizenproduzent hat nicht nur Vorteile durch den Forward Vertrag. Sollte der Weizenpreis zum Erntezeitpunkt tatsächlich höher sein als im Forward vereinbart, muss der Bauer seinen Weizen nun vergleichsweise zu günstig abgeben. Aber das ist noch das geringere Übel. Schwierig wird es für den Bauern, wenn seine Ernte aus welchen Gründen auch immer zerstört wird. Naturgewalten wie Stürme und Überflutungen, Schädlingsbefall, zu trockenes oder zu feuchtes Wetter. Sollte die Ernte ausbleiben oder deutlich geringer ausfallen als geplant, so muss der Weizenproduzent seinen Vertrag mit dem Weizenkäufer trotzdem erfüllen. Ihm bleibt dann nichts anderes übrig, als den Weizen von anderen Bauern zu einem möglicherweise exorbitanten Preis zu kaufen und ihn an den Forward Käufer zum vereinbarten Preis abzugeben.

Für den Terminkäufer des Weizens liegt der Vorteil ebenfalls in der Preissicherheit sowie der Gewissheit, zur Erntezeit auch tatsächlich eine bestimmte Menge an Weizen zu erhalten. Risiko ist auch hier wieder, dass der vereinbarte Preis höher ist als jener zur Ernte und der Forward Käufer damit seinen Weizen vergleichsweise teuer kauft. Andererseits muss er sich nicht auf die Suche machen nach dem Weizen einer bestimmten Qualität, sondern hat diesen vertraglich zugesichert.

Landwirtschaft, Bergbau und Gewürzhandel

In der Landwirtschaft, aber auch im Bergbau, Gewürzhandel und vielen weiteren Geschäftszweigen waren Geschäfte auf Termin auch schon in der Vergangenheit üblich. Man denke nur an den Handel mit Gewürzen auf dem Seeweg, wie er vor hunderten von Jahren durchgeführt wurde. Eine Schiffsfahrt nach Indien und zurück dauerte sehr lange und war mit hohen Risiken und Kosten verbunden. Die möglichen Gewinne bei einer erfolgreichen Wiederkehr des Schiffs mit reicher Ladung waren hingegen legendär. Auch hier sind Finanzierungsformen bekannt, die bereits erste Derivate mit einschlossen.